Stottern

Stottertypische Unflüssigkeiten werden als Kernsymptome bezeichnet. Diese umfassen Dehnungen von Lauten, Blockierungen und Wiederholungen von Lauten oder Silben (Sandrieser & Schneider, 2015, S. 10). Unter der Begleitsymptomatik des Stotterns werden sämtliche weitere Auffälligkeiten zusammengefasst, die zusätzlich zur Kernsymptomatik auftreten (z.B. Mitbewegungen, Grimassieren, Vermeideverhalten, Sprechangst). Viele Begleitsymptome können als Coping-Strategien gedeutet werden (Sandrieser & Schneider, 2015, S. 11f).

Die genaue Ursache des Stotterns kann aktuell nicht eindeutig erklärt werden, da für die Entstehung von Stottern viele Faktoren zusammenwirken. Eine genetische Disposition für Stottern konnte belegt werden (Kidd, 1977, S. 268; Barnes et al., 2016, S. 1016). Studien haben zudem gezeigt, dass es Unterschiede in der Aktivität der Hirnareale während des Sprechens zwischen Menschen mit Stottersymptomatik und flüssig Sprechenden gibt (Neumann et al., 2003 S. 391-402; Sommer, Koch, Paulus, Weiller & Büchel, 2002, S. 382). Darüber hinaus besteht die Vermutung, dass gestörte Rückmeldeprozesse Stottern zugrunde liegen könnten (Sandrieser & Schneider, 2015, S. 22).

Stottern tritt weltweit ungeachtet nationaler Grenzen in jeder Kultur und in allen sozialen Milieus auf (Pertijs et al., 2014, S. 30). Etwa 5% aller Kinder zwischen drei und zwölf Jahren durchlaufen eine Phase, in der sie Stottersymptome aufweisen. Zwischen 50 % und 90 % der betroffenen Kinder überwinden das Stottern vollständig bis zur Pubertät infolge einer spontanen Remission oder Therapie. Im Erwachsenenalter sind daher nur etwa 1 % aller Menschen von Stottern betroffen (Yairi & Ambrose, 2013, S. 74). Da deutlich mehr Mädchen eine Remission haben, stottern im Jugend- und Erwachsenenalter etwa viermal mehr Männer als Frauen (Yairi & Ambrose, 2013, S. 68).

In der Stottertherapie wird zwischen indirekten und direkten Therapieansätzen unterschieden. Die beiden Ansätze kommen jedoch auch kombiniert zum Einsatz. Indirekte Ansätze beinhalten Therapieformen, die nicht direkt das Stottern bearbeiten. Direkte Therapieansätze fokussieren die Kern- und Begleitsymptome des Stotterns bzw. die Sprechweise insgesamt. Dabei können zwei direkte Ansätze in der Stottertherapie unterschieden werden (StutteringManagement und Fluency Shaping) (Sandrieser & Schneider, 2015, S. 89-93). Stottern wirkt sich auf die Lebensqualität und die Verhaltensweisen vieler Betroffen aus, was weniger auf die Kernsymptome als vielmehr auf den Umgang mit der Redeflussstörung durch die Gesellschaft zurückzuführen ist (Smith, Iverach, O´Brian, Kefalianos& Reilly, 2014, S. 23f.). Stottern ist nicht als reine und isolierte Sprechstörung zu betrachten, sondern als Störung der Kommunikation, deren Stärke von der jeweiligen Situation und den Reaktionen der Kommunikationspartner abhängt (Wendlandt, 2009, S. 3). Aus diesem Grund ist ein offener Umgang mit Stottern in der Gesellschaft wünschenswert.

 

Nachteilsausgleich bei Stottern

Stottern ist als Sprechbehinderung anerkannt und deshalb haben stotternde Schülerinnen und Schüler ein Recht auf einen Nachteilsausgleich. Mit dem Nachteilsausgleich soll erreicht werden, dass die schulische Leistung auf eine Art erbracht werden kann, die der Sprechbehinderung gerecht wird. Das kann über verschiedene Hilfestellungen umgesetzt werden (z.B. Zeitzugabe, Computerbenutzung) und richtet sich individuell nach der betroffenen Person. Ein Nachteilsausgleich bedeutet nicht, dass eine allgemeine Befreiung von der mündlichen Mitarbeit oder Prüfungen stattfindet (Thum, 2011, S. 30).