SES bei zentralen und peripheren Hörbeeinträchtigungen
Je nach Schädigung der Strukturen, die an dem Hörprozess beteiligt sind, können Beeinträchtigungen unterschieden werden in peripher (Schallleitungsschwerhörigkeit, Schallempfindungsschwerhörigkeit) und zentral (zentrale Schwerhörigkeit, auditive Verarbeitungsstörung) (Lauer, 2014, S. 12).
Hörbeeinträchtigungen können die Entwicklung aller sprachlichen Ebenen beeinflussen. Ob und wie stark die Sprachentwicklung durch eine Hörstörung beeinträchtigt ist, hängt von der Art und Schwere der Störung sowie einer frühzeitigen Versorgung ab (Wachtlin & Bohnert, 2018, S. 39).
Je nach Art der Hör- bzw. auditiven Verarbeitungsstörung können die Ursachen sehr verschieden sein. Hörstörungen können insgesamt angeboren oder erworben sein. Dabei ist zu beachten, dass Hörstörungen auch vor bzw. während der Geburt erworben werden können. Sind Hörstörungen genetisch bedingt, so können sie im Zusammenhang mit Syndromen oder isoliert auftreten (Wachtlin & Bohnert, 2018, S. 21). Pränatale Ursachen für eine Hörschädigung können Infektionen (z.B. Toxoplasmose, Röteln, Mumps, Influenza, Listeriose, Zytomegalievirusinfektion), Sauerstoffmangel, toxische Schäden (z.B. durch Alkoholkonsum, Medikamente mit ototoxischem Potenzial), Mangelernährung, Diabetes mellitus und Röntgenstrahlungen sein. Perinatal können Komplikationen wie Nabelschnurumschlingungen, Plazentainsuffizienz, Asphyxie und Hypoxie eine Hörbeeinträchtigung verursachen. Auch die Frühgeburtlichkeit und Hirnreifungsverzögerungen gehören zu den möglichen Ursachen von Hör- bzw. auditiven Verarbeitungsstörungen (Wachtlin & Bohnert, 2018, S. 22; Lauer, 2014, S. 31). Mögliche postnatale Ursachen sind vielfältig (z. B. Mittelohrentzündungen, Infektionserkrankungen wie Meningitis, Medikamente mit toxischer Wirkung, traumatische Ereignisse, Tumoren, chronische Lärmbelästigung, Hirnschädigungen) (Wachtlin & Bohnert, 2018, S. 22).
Die Prävalenz behandlungsbedürftiger Hörstörungen bei Neugeborenen liegt bei eins bis zwei von 1000 Kindern (Wachtlin & Bohnert, 2018, S. 54). Doch auch später nach der Geburt können Kinder eine Hörbeeinträchtigung erwerben (siehe Ursachen). Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen treten bei Kindern mit einer Prävalenz von zwei bis drei Prozent auf. Jungen sind dabei etwa doppelt so häufig betroffen wie Mädchen (Ptok et al., 2000, S. 91).
Periphere Hörbeeinträchtigungen können durch eine apparative Versorgung (Hörgeräte, Cochlear Implantate) behandelt werden, sodass eine möglichst physiologische Sprachentwicklung möglich ist (Wachtlin & Bohnert, 2018, S. 55). Zusätzlich kann eine sprachtherapeutische Behandlung durchgeführt werden (Wachtlin & Bohnert, 2018, S. 101).
Die Behandlung einer AVWS sollte insgesamt ein direktes Training, eine Verbesserung der Umgebungsbedingungen für das Sprachverstehen (Schule und zu Hause), kompensatorische Strategien, ggf. Veränderungen im schulischen Unterrichtsstil, evtl. eine Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses durch akustische Verstärkung beinhalten (Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 2019, S. 44).