Poltern
Eine einheitliche Definition der Sprach-Sprechstörung Poltern liegt bislang nicht vor. Es existieren zahlreiche Definitionen und Beschreibungen von Kern- und Begleitsymptomen. Charakteristisch für das Störungsbild sind ein hohes und/oder irreguläres Sprechtempo sowie phonetisch-temporale Auffälligkeiten. Diese beiden Symptome müssen mindestens vorliegen, um von Poltern sprechen zu können. Zusätzlich können zahlreiche weitere Symptome auftreten (z. B. Unflüssigkeiten, Sprachstörungen, Störungen im Bereich Kommunikation und Pragmatik, prosodische Auffälligkeiten, schriftsprachliche Auffälligkeiten, Sprechkontrolle, Aufmerksamkeit und Konzentration, auditive und visuelle Wahrnehmung). Aus diesem Grund wird Poltern auch als Syndrom (Symptom-Komplex) bezeichnet (Sick, 2014, S. 25f.).
Verschiedene Untersuchungen zeigen ein gehäuftes familiäres Auftreten von Poltern, was eine genetische Komponente dieser Störung sehr wahrscheinlich macht. Neueste Studien deuten darauf hin, dass Poltern neurophysiologische Fehlfunktionen zugrunde liegen. Daneben existieren viele Erklärungsansätze, die mögliche Ursachen von Poltern beschreiben (z. B. neurologische Kontrollstörung, auditives Monitoringproblem, Asynchronie von Prozessen der Sprach- und Sprechproduktion) (Sick, 2014, S. 60ff.).
Es gibt bisher keine eindeutigen Daten zur Auftretenshäufigkeit von Poltern. In der Literatur wird die Häufigkeit mit 0,4 – 1,8% der Gesamtbevölkerung beschrieben (Neumann et al., 2016, S. 151). Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine hohe Dunkelziffer existiert, da das Störungsbild in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt ist und die Diagnose somit vermutlich oft nicht gestellt wird. Jungen bzw. Männer sind von Poltern häufiger betroffen. Eine Poltersymptomatik tritt frühestens zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr auf, wenn Kinder in der Lage sind, mehrere Äußerungen in Folge zu artikulieren. Das Poltern verstärkt sich häufig im Jugendalter, schwächt dann im Erwachsenenalter meist wieder ab, bleibt jedoch ein Leben lang bestehen (Sick, 2014, S. 232).
Im Rahmen einer Sprachtherapie kann erreicht werden, dass Menschen mit einer Poltersymptomatik ihr Sprechen kontrollieren und damit ihre Symptomatik verbessern können. Die Störung begleitet Betroffene jedoch ein Leben lang. Die Schwere der Symptomatik kann je nach Situationen variieren und ist abhängig von verschiedenen Faktoren (z. B. Gesprächspartner, Kommunikationsdruck, Inhalt/Thematik). Eine Aufklärung über die Symptomatik in der Gesellschaft ist wünschenswert, um für das Störungsbild Poltern mehr Verständnis zu erzeugen und den Leidensdruck von Betroffenen somit zu verringern (Sick, 2014, S. 232f.).